Deutschland wird 2020 rund 81,6 Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen als 2019. Dieser Rückgang kommt angesichts der Corona-Krise nicht unerwartet. Dennoch sollte die momentan ausgesetzte Schuldenbremse ganz abgeschafft werden, damit daraus keine Investitionsbremse wird.
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Am Donnerstag hat der Arbeitskreis Steuerschätzung eine neue Prognose vorgelegt: Die Steuereinnahmen aller staatlichen Ebenen werden demnach im laufenden Jahr um rund 81,6 Milliarden Euro geringer ausfallen als im Jahr 2019. Das Vorkrisenniveau werden sie voraussichtlich erst 2022 wieder erreichen.
Der Rückgang kommt angesichts der Corona-Krise nicht unerwartet. Dennoch ist er ein Warnzeichen an jene, die eine schnelle Rückkehr zur momentan ausgesetzten Schuldenbremse fordern. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), nannte solche Forderungen von konservativer Seite jüngst „puren Masochismus und wirtschaftlich hoch schädlich“.
Es ist noch nicht ausgemacht, ob große zusätzliche Konjunkturmaßnahmen notwendig werden. Sicher ist aber: Eine Rückkehr zur Schwarzen Null, würde die wirtschaftliche Erholung in den kommenden Jahren ausbremsen – insbesondere, wenn die Verschuldung durch Kürzung der Staatsausgaben und Steuererhöhungen für die breite Masse ersetzt werden sollte. Die Euro-Krise hat vor einigen Jahren gezeigt, wozu es führt, wenn Staaten unter Sparzwang geraten: Griechenland, Spanien und andere Länder wurden zu enormen Ausgabenkürzungen getrieben. In der Folge brach die Wirtschaft weiter ein und die staatliche Schuldenstandsquote stieg, anstatt zu sinken.
*2020 & 2021: Prognose Quelle: Sachverständigenrat, eigene Berechnung
Es ist deshalb richtig, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz die deutsche Schuldenbremse auch nächstes Jahr aussetzen will. Doch auch für die Jahre danach muss sich die Politik etwas einfallen lassen. Denn sollte die Schuldenbremse dann wieder greifen, verbietet sie auch erstmals den Bundesländern jede Neuverschul-dung. Hinzu kommt, dass sich Bund und Länder be-reits zum Teil dazu verpflichtet haben, die Corona-bedingten Schulden schon bald und binnen weniger Jahre zurückzuführen. Diese Tilgungszahlungen belasten die Staatskassen dann zusätzlich.
All das fällt in eine Zeit, in der deutlich wird, dass die Handlungsfähigkeit des Staates gestärkt und nicht beschnitten werden muss: In Behörden, Schulen und anderswo braucht es mehr und besser bezahltes Personal. Die öffentlichen Investitionen in Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur, in Bildungswesen, Klimaschutz und die Transformation der Industrie müssen ausgeweitet werden. Die Kommunen brauchen eine dauerhafte Entlastung und mehr Mittel, um lebenswert zu bleiben.
Um das zu finanzieren, braucht es nicht nur ein gerechteres Steuersystem, auch kreditfinanzierte öffentliche Investitionen müssen wieder möglich sein. Neue Schulden gefährden nicht die wirtschaftliche Stabilität, sie kommen künftigen Generationen zu Gute, wenn sie in Zukunftsinvestitionen fließen. Sie kosten dem Staat nichts, weil die Zinsen für Neuschulden bei Null liegen. Die staatlichen Zinszahlungen gehen in der Krise sogar weiter zurück (s. Grafik).
Die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse und gehört abgeschafft. Wenn das kurzfristig nicht möglich ist, muss sie so gestaltet werden, dass sie weniger bremst. Die Tilgungszeiträume für Corona-Schulden müssen gestreckt und Wege gefunden werden, um Investitionen trotz Schuldenbremse zu finanzieren – etwa über Extrahaushalte.