Deutscher Gewerkschaftsbund

08.05.2019
re:publica 2019

Wer macht die neuen Spielregeln?

Künstliche Intelligenz hat das Potential, die Arbeitswelt auf den Kopf zu stellen. Auf der digitalen Gesellschaftskonferenz re:publica 2019 diskutierten GewerkschafterInnen mit Digital-ExpertInnen darüber, wer das Sagen hat – Mensch oder Maschine? – und wie man Lösungen für Probleme findet, die man jetzt noch nicht kennt.

Podium der Session KI macht Arbeit auf der re:publica 2019

v.l.n.r.: Moderator Thomas Ramge, der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, Anna Kopp, Head of IT Germany bei Microsoft, Dr. Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung, Efstathios Michailidis, Betriebsratsvorsitzender aquaRömer. DGB/Hesse

Drei Tage lang stehen aktuelle Gesellschaftsfragen im Mittelpunkt der Debatten auf der Digital- und Gesellschafts-Konferenz re:publica in Berlin. Künstliche Intelligenz und wie sie das Leben und Arbeiten der Menschen verändert, war eines der heißen Themen 2019. Auch der DGB beteiligte sich am Diskurs zur KI mit der Veranstaltung „Bei uns heißt Siri Mary“, bei sich der GewerkschafterInnen und Digital-ExpertInnen austauschten. Ein Betriebsratsvorsitzender berichtete eindrücklich, was es heißt, mit KI zusammenzuarbeiten.

Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sprach sich zunächst dafür aus, mehr und besser über KI aufzuklären. „Es geht nicht um Intelligenz im menschlichen Sinn“, so Hoffmann“, sondern um die Verarbeitung von Daten und maschinelles Lernen. KI werde den Menschen nicht ersetzen, „dazu wird es nicht kommen“. Man müsse sich darüber einig werden, wofür KI genutzt werden soll. Nicht alles, was digital möglich sei, werde auch kommen.

Auf welchen Werten basiert der Einsatz von KI?

Hoffmann machte deutlich, dass zuerst die ethischen Grundlagen und Wertgerüste, auf denen der Einsatz von KI beruht, ausdiskutiert werden müssen. Ein Punkt sei: Wer kontrolliert die riesigen Datenmengen, die durch KI erfasst werden? Als Chancen der KI sieht er, die Arbeit zu erleichtern und humaner zu machen. Belastungen wie Staub und Lärm in Produktionsstätten sowie stumpfe, wiederholende Tätigkeiten könnten wegfallen und dadurch die Arbeit interessanter gestaltet werden. Dafür kämen neue Belastungen hinzu: eine Beschleunigung der Arbeit, die zu Selbstausbeutung führt, und insgesamt mehr Stress für die ArbeitnehmerInnen.

Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrates der Bundesregierung, kritisiert die bisherige Debatte als zu technikzentriert. Das Wissen zu KI sei bisher nicht in der Breite angekommen. Auch Anna Kopp, Head of IT Germany bei Microsoft, sagte: „Wir alle müssen das verstehen“. Einig waren sich die Teilnehmenden, dass gemeinsam, gesellschaftlich entschieden werden muss, wie die Veränderungen reguliert werden. Die neuen Spielregeln müssen gemeinsam entwickelt werden, so Reiner Hoffmann.

Künstliche Intelligenz namens Mary

Welche Chancen und Risiken der Einsatz künstlicher Intelligenz mit sich bringt, berichtete der Betriebsratsvorsitzende von aquaRömer, Efstathios Michailidis (Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, NGG). 2003 sollte ein KI-System eingeführt werden, um die Beschäftigten im Lager zu lenken. Bei den Probeläufen zeigte sich schnell, die KI namens „Mary“ beurteilt die MitarbeiterInnen auch persönlich: Wer arbeitet zu langsam? Wer macht Fehler? „Mary erfasst Sachen, die sie nichts angehen“, stellte Michailidis fest. Das Gefühl entstand: Da passiert etwas im Hintergrund, was wir nicht einschätzen können. Ihm wurde klar: „Das müssen wir stoppen! Und zwar sofort!“ Die Beschäftigten weigerten sich zunächst, mit der KI zusammenzuarbeiten, bis eine Betriebsvereinbarung getroffen wurde – die bis heute gilt. Das ist bemerkenswert – denn damals gab es noch keine sprachgesteuerten Systeme wie Siri (Apple) und Alexa (Amazon), die heute in vielen Wohnzimmern stehen. „Wir wussten ja gar nicht, was da auf uns zukommt und was das alles bedeutet“, so Michailidis im Rückblick. Doch heute überwiegt die positive Sicht der Dinge, die Beschäftigten möchten Mary nicht mehr missen.

„Die Daten sind ja da“

 „Wenn man es gemeinsam gestaltet, bringt es allen Vorteile“, fasst Michailidis den damaligen Kampf zusammen. Im Kern geht es für ihn darum, den Beschäftigten und den Führungskräften zu erklären, was die KI kann. Und den Führungskräften auch zu erklären, was sie nicht dürfen. In der Betriebsvereinbarung ist festgelegt, dass es mithilfe von Mary keine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Beschäftigten geben darf. Das alles muss genau festgelegt werden, denn: „Die Daten sind ja da“, erklärt Michailidis, „Mary erkennt zum Beispiel meine Stimme“, da müsse festgelegt werden, dass diese Daten nicht weiterverwendet werden dürfen. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen schließt die Betriebsvereinbarung aus. Denn Mary erfasst mehr oder weniger alles, zum Beispiel erkennt sie an Stimmveränderungen, ob der oder die Beschäftigte übernächtigt oder krank ist.

Eines haben sie bei aquaRömer für die KI ganz genau festgelegt: Die Menschen sind die Handelnden – die Maschine erteilt ihnen keine Befehle. Und: sie haben jederzeit die Möglichkeit, Mary mit einer Handbewegung auszuschalten, wenn sie eine Pause brauchen – aus welchem Grund auch immer.


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