Deutscher Gewerkschaftsbund

05.06.2020
klartext 20/2020

EU-Konjunkturprogramm: Eine neue europäische Fiskalpolitik

Die Europäische Kommission hat letzte Woche ihre Pläne für ein wirtschaftliches Aufbauprogramm vorgelegt. So sollen bis zu 750 Milliarden Euro für die Mitgliedsstaaten freigesetzt werden. Bevor dieses Geld jedoch bei den Ländern ankommt, müssen sie einen komplizierten Entscheidungsprozess durchlaufen. Der DGB-klartext fordert Nachbesserungen.

EU-Sterne und Geldscheine

DGB/Marian Vejcik/123rf.com

Wirtschaftliches Aufbauprogramm für Europa

Angesichts des historischen wirtschaftlichen Einbruchs - ausgelöst durch die Corona-Pandemie - hat die Europäische Kommission letzte Woche ihre Pläne für ein wirtschaftliches Aufbauprogramm vorgelegt. Sie plant, zeitlich befristet, Anleihen am Kapitalmarkt zu emittieren und damit Finanzmittel in Höhe von 750 Milliarden Euro zu generieren, die sie an die Mitgliedstaaten weitergibt.

Schuldenlast wird solidarisch auf allen Schultern verteilt

Der Vorschlag, einen Großteil der Gelder als Zuschüsse an die Mitgliedstaaten zu vergeben, ist richtig. Dadurch wird die Schuldenlast solidarisch auf allen Schultern verteilt und die nationalen Schuldenstände, die infolge der Krise sehr strapaziert sind, werden geschont. Ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Nord- und Südeuropa und eine erneute Staatsschuldenkrise könnten so verhindert werden. Das ist ein erfreulicher Quantensprung in der europäischen Fiskalpolitik! Der DGB fordert schließlich schon seit Jahren ein gemeinschaftliches Schuldeninstrument auf EU-Ebene.

Gefahr schädlicher Nebenwirkungen

Allerdings bergen manche Details in den Vorschlägen der Kommission auch die Gefahr von schädlichen Nebenwirkungen. Der Kern des Kommissionvorschlags besteht darin, einen neuen Fonds zu schaffen mit dem sperrigen Titel „Aufbau- und Resilienzfazilität“.Dieser Fonds soll an das Europäische Semester gekoppelt sein. Hier versucht die Kommission zum wiederholten Male ein Instrument zu etablieren, um die Mitgliedstaaten dazu zu bringen, die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Kommission effektiver umzusetzen.

Balkendiagramm: Nicht rückzahlungspflichtige, finanzielle Zuwendungen an die EU-Mitgliedsstaatenin prozent des Bruttoinlandsprodukts

Quelle: Europäische Kommission

Kritik an länderspezifischen Empfehlungen

Die Verknüpfung mit dem europäischen Semester ist nicht zielführend. Zwar beinhalten die Empfehlungen der Kommission regelmäßig Reformvorschläge, die wir als Gewerkschaften begrüßen. Dazu gehört die Ausweitung öffentlicher Investitionen, um die deutsche Wirtschaft fit zu machen für den Strukturwandel, der sich durch Klimawandel und Digitalisierung ergibt.

Zugleich kritisieren wir aber regelmäßig Teile der länderspezifischen Empfehlungen. Dieses Jahr etwa fordert die Kommission den Bürokratie- und Verwaltungsaufwand für Unternehmen zu verringern. Diese Einschätzung teilen wir nicht. Auch in anderen EU-Ländern stoßen die Reformvorschläge, die oft auf Kürzungen zielen, regelmäßig auf Ablehnung bei den Gewerkschaften.

Mehr Demokratie in Entscheidungsprozessen

Darüber hinaus sind die bislang von der Kommission vorgesehenen Entscheidungsprozesse der Fazilität tendenziell undemokratisch: Hier will sich die Kommission weitgehende politische Autonomie sichern und schlägt vor, dass sie über die konkrete Mittelvergabe in Form eines Durchführungsrechtsaktes beschließt. Es wäre angebracht, hier insbesondere das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente stärker einzubeziehen.

Kriterien zur Mittelvergabe verbessern

Mit der Aufbau- und Resilienzfazilität wird die Europäische Kommission die Investitions- und Reformvorhaben der Mitgliedstaaten in naher Zukunft entscheidend beeinflussen. Denn die finanziellen Mittel, die den Mitgliedstaaten in Aussicht gestellt werden, sind enorm (siehe Grafik). Umso wichtiger ist es, dass bei den Kriterien der Mittelvergabe und den Entscheidungsprozessen der Fazilität nachgebessert wird.


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