In der Pflege droht uns ein massiver Versorgungnotstand. Fachkräfte aus dem Ausland alleine lösen die Probleme nicht. Nötig sind höhere Löhne und vor allem ein Tarifvertrag, der die Rechte der Beschäftigten wahrt.
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Hunderttausende vakante Stellen und ein stetig wachsender Bedarf: Bei der Pflege steht Deutschland kurz vor dem Katastrophenfall. Schon jetzt fehlen Fachkräfte und davon wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch in Mexiko nicht genug finden.
Dass uns ein massiver Versorgungsnotstand droht, ist ein hausgemachtes Problem. Die wenigsten halten es auf Dauer im Pflegeberuf aus: Die Löhne sind zu niedrig, die Arbeitsbedingungen oft schlecht, die Arbeit psychisch und körperlich anstrengend. Wegen des Personalmangels stehen die Beschäftigten ständig auf Abruf. Und so lange frei nicht frei ist, gehen die Pflegenden reihenweise in die Knie – oder suchen sich einen anderen Job.
Nötig sind also bessere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und vor allem ein Tarifvertrag, der die Rechte der Beschäftigten wahrt. Zuwanderung kann punktuell helfen, aber die Bedingungen müssen für alle stimmen. Aus den Beratungsstellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) für mittel- und osteuropäische Arbeitnehmer kennen wir jedoch allzu viele Knebelverträge.
DGB/Simone M. Neumann
Annelie Buntenbach ist Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstandes. Sie schreibt regelmäßig als Autorin für die Kolumne Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau.
Deshalb muss die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland transparent und unter hohen Standards erfolgen. Keinesfalls darf sie zu einem ausbeuterischen Geschäftsmodell für dubiose Privatvermittler werden. Arbeitnehmer werden erpressbar, wenn sie die haarsträubendsten Arbeitsbedingungen akzeptieren müssen, um ihre Schulden durch überhöhte Vermittlungsgebühren abzubezahlen. Deswegen fordern die Gewerkschaften, die Anwerbung am besten über die öffentliche Arbeitsverwaltung unter Beteiligung der Sozialpartner zu organisieren.
Zu einer nachhaltigen Anwerbung gehört auch eine gelungene Integration der Fachkräfte und ihrer Familien in unsere Gesellschaft. Nur wenn sie auf eine weltoffene und diskriminierungsfreie Aufnahmegesellschaft treffen – in Betrieben, auf dem Wohnungsmarkt, in Schulen, in Ausländerbehörden und Stadtverwaltungen und überall im alltäglichen Leben – werden die Menschen bleiben.
Bei alledem darf die Bundesregierung auch das inländische Fachkräftepotenzial nicht vergessen: Sie muss die Erwerbsbeteiligung von Frauen erhöhen und auch diejenigen fördern und integrieren, die aus dem Ausland bereits hergekommen sind.
von Annelie Buntenbach
Dieser Artikel ist erstmals am 29.01.2020 in der Frankfurter Rundschau erschienen.