Deutscher Gewerkschaftsbund

18.06.2020
BM - Magazin für Beamtinnen und Beamte 6/2020

Arbeiten während Corona: Homeoffice beeinflusst Produktivität, Stress und Konflikte

Seit Beginn der Corona-Pandemie arbeiten viele Beschäftigte im Homeoffice. Welche Konsequenzen das für die Beschäftigten hat, wurde in einer Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Arbeit, Personal und Organisation von Professor Dr. Stefan Süß untersucht. Dazu wurden im Rahmen einer größeren Erhebung zwischen dem 07.04.2020 und dem 09.05.2020 auch 888 Personen befragt, die im öffentlichen Dienst (Bund, Länder und Kommunen) arbeiten.

Dieser Beitrag ist Titel im BM Ausgabe 06/2020 - dem Magazin für Beamtinnen und Beamte des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Die Teilnehmenden wurden gebeten, Einschätzungen über die Arbeitssituation vor Corona abzugeben und Fragen zu ihrer aktuellen Situation im Homeoffice während der Corona-Pandemie zu beantworten. Die Studie verdeutlicht signifikante und robuste Zusammenhänge: Diese zeigen sich vor allem zwischen der Arbeit im Homeoffice und der von den Beschäftigten wahrgenommenen Produktivität. Allerdings werden auch interessante Ergebnisse zu dem empfundenen Stress, der sozialen Isolation oder organisatorischen Problemen im Rahmen der Arbeit im Homeoffice deutlich.

Zentrale Aussagen: Wahrgenommene Produktivität sinkt…

In der Studie gaben die Befragten einen selbst empfundenen Rückgang ihrer Produktivität um durchschnittlich rund 10 % im Vergleich zur sonst üblichen Arbeitssituation an. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser faktisch sogar größer sein könnte, das aber verständlicherweise ungern zugegeben oder nicht exakt eingeschätzt wird. Wovon hängt der Rückgang der Produktivität ab? Sie sinkt stärker bei älteren Beschäftigten und in Situationen, in denen es im Homeoffice Probleme gibt, beispielsweise wenn kein adäquater Homeoffice-Arbeitsplatz oder geringe Erfahrungen mit dem Homeoffice vorhanden sind und daher aus der ungewohnten Situation Überforderung resultieren kann. Auch eine gefühlte soziale Isolation führt zu einem Rückgang der Produktivität, das heißt die fehlende Möglichkeit zum Austausch spielt hier eine Rolle. Auffällig ist, dass die Produktivitätseinschätzung bei Personen steigt, die technologieaffin sind oder bereits vor Corona Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice sammeln konnten, was darauf hindeutet, dass Gewöhnungseffekte die Situation im Laufe der Zeit verbessern können.

… Stress und Konflikte können steigen

Ob Beschäftigte des öffentlichen Dienstes im Homeoffice Stress empfinden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Gefördert wird das subjektive Stressempfinden durch organisatorische Probleme im Homeoffice und gefühlte soziale Isolation. Auch Führungskräfte, die ca. ein Drittel der Stichprobe ausmachen, empfinden eine Zunahme des Stresses im Homeoffice. Das kann daran liegen, dass Koordinations- und Führungstätigkeiten auf Distanz und auf digitalem Wege ungewohnt sind und physische Nähe diese erleichtert. Da die aktuelle Situation dies aber nicht zulässt, wird die Wahrnehmung der Führungsaufgabe als komplizierter und stressiger empfunden.

Führungsverantwortung und die gefühlte soziale Isolation verstärken zudem den wahrgenommenen Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben. Dieser wird außerdem maßgeblich von Kindern geprägt, für die Betreuungspflichten bestehen, und die, jedenfalls im Erhebungszeitraum, oft bei Homeschooling-Angeboten unterstützt werden mussten. Aus der Forschung ist bekannt, dass ein dauerhaft empfundener Konflikt zwischen den Anforderungen der Arbeit und den Aufgaben und Verpflichtungen des Privatlebens wiederum Stress auslösen, unzufrieden machen und die Produktivität verringern kann. Ganz entscheidend ist aber zum einen, was das Individuum bevorzugt – eine Trennung von Arbeit und Privatleben oder die Integration beider Bereiche. Diese sog. individuelle Segmentationspräferenz sollte nach Möglichkeit bei der Gestaltung der Arbeit berücksichtigt werden. Zum anderen zeigt sich, dass Unterstützung des Dienstherrn die empfundenen Konflikte und damit vermutlich mittelbar auch den empfundenen Stress reduzieren kann. Insofern sollte eine Homeoffice-Nutzung nach Corona von entsprechenden Maßnahmen flankiert sein, zum Beispiel IT-Support oder die Möglichkeit zum informellen (digitalen) Austausch.

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Private Situation prägt Arbeitssituation aktuell negativ

Wie einzelne Beschäftigte die Arbeit von zu Hause aus empfinden, hängt maßgeblich von der privaten Situation ab, zum Beispiel vom Alter der Beschäftigten, ihren Betreuungspflichten gegenüber Kindern und ihrer empfundenen sozialen Isolation durch das Homeoffice. Neben der sozialen Isolation prägt die Betreuung von Kindern den empfundenen Konflikt zwischen Arbeit und Privatleben am stärksten. Insgesamt macht das deutlich, dass eine Doppelbelastung, zu Hause zu arbeiten und gleichzeitig Kinder zu betreuen, eine Situation ist, die die Beschäftigten nicht langfristig tragen können. Dieser Befund unterstreicht die Notwendigkeit, Betreuungsangebote auch während der Corona-Pandemie zu schaffen, nicht nur mit Blick auf die Kinder, sondern auch auf die notwendige Entlastung der Eltern. Wenn Beschäftigte und (kleinere) Kinder gleichzeitig zu Hause sind, ist ein produktives und individuell zufriedenstellendes Homeoffice schwer möglich.

Recht auf Homeoffice?

Arbeitsminister Heil fordert seit einiger Zeit ein Recht auf Homeoffice. Auf Basis der durchgeführten Studie lässt sich festhalten, dass mit einem solchen Recht auf Homeoffice auch adäquate Arbeitsbedingungen zu Hause verbunden sein müssen. Wichtig ist zudem die Freiwilligkeit des Homeoffice, denn wenn Beschäftigte Arbeit und Privatleben eigentlich gerne trennen möchten, wirkt erzwungenes Homeoffice stress- und konfliktverstärkend.

Die aktuelle Situation ist eine Sondersituation, und eine baldige Rückkehr zu einer bestenfalls freiwilligen Wahl eines so oder so angemessen gestalteten Arbeitsortes ist mit Blick auf die Beschäftigten und ihre Produktivität sehr wünschenswert. Da Schätzungen des DIW zur Folge nur rund 40 % aller Tätigkeiten generell aus dem Homeoffice darstellbar sind, muss man eine Zweiklassengesellschaft in Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Dienstes vermeiden, in der Höherqualifizierte und Besserverdienende, deren Tätigkeiten in aller Regel eher für das Homeoffice geeignet sind, zu Hause arbeiten und andere nicht.

Zum Autor: Prof. Dr. Stefan Süß ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er ist seit 2010 Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre, insb. Arbeit, Personal und Organisation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Für weitere Informationen zum Thema - E-Mail: Stefan.Suess@hhu.de.


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