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Die Europäische Kommission ist eine Meisterin der politischen Einflussnahme. Das zeigt sich besonders in der Wirtschaftspolitik. Neuestes Beispiel: die Vorschläge zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion. Der DGB klartext zeichnet den Strategiewechsel der letzten Jahre nach.
DGB/Marian Vejcik/123RF.com
Die Europäische Kommission ist eine Meisterin der politischen Einflussnahme. Immer wieder schafft sie es, ihren Einfluss schrittweise auch in Politikfeldern auszubauen, in denen ihr die europäischen Verträge nur begrenzte Gestaltungskompetenz zugestehen. Besonders gut gelingt ihr das im Bereich der Wirtschaftspolitik. Ihre jüngsten Vorschläge zur Stabilisierung der Wirtschafts- und Währungsunion illustrieren dies wieder einmal deutlich. Denn bei der Durchsetzung neoliberaler Reformen zeichnet sich ein Strategiewechsel ab.
Zunächst versuchte es die Europäische Kommission auf die harte Tour: Die in der Krise eingeführten Anpassungsprogramme und die neuen Instrumente der wirtschaftspolitischen Steuerung zielten darauf, die Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten stärker zu überwachen und Regelverstöße schnell zu bestrafen. Fiskalpakt und Europäischer Stabilitätsmechanismus schufen zudem ein intergouvernementales Instrumentarium, das das Sanktionssystem verschärfte.
Allerdings war dieses sanktionsbasierte System der wirtschaftspolitischen Steuerung wenig effektiv. Die Kommission verhängte trotz Verstößen keine Sanktionen und die Mitgliedstaaten halten sich bis heute kaum an die empfohlenen Strukturreformen. Der politische Widerstand ist in vielen Ländern zu groß.
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Zudem sind die politischen Kosten der sanktionsbasierten Strategie zu hoch, wie der Aufstieg populistischer, anti-europäischer Bewegungen zeigt. In vielen Ländern wurden die Sparauflagen der EU als Diktat empfunden, anti-europäische Ressentiments wurden verstärkt. In Italien lässt sich das gerade jetzt eindrücklich beobachten. Die Unterordnung der italienischen Regierungen unter das europäische wirtschaftspolitische Regime bereitete den Boden für die derzeitige nationalistische Gegenreaktion.
Mittlerweile scheint die Kommission ihre Strategie geändert zu haben. Anstatt der Peitsche holt sie nun das Zuckerbrot hervor, wie ihre aktuellsten Pläne zeigen. Durch das Reformhilfeprogramm, das die Kommission im nächsten EU-Budget verankern möchte, sollen Mitgliedstaaten eine finanzielle Belohnung erhalten, wenn sie die haushaltspolitischen und makroökonomischen Vorgaben einhalten. Ein ähnlicher Mechanismus ist auch bei der so genannten „Investitionsstabilisierungsfunktion“ vorgesehen: Auch hier sollen Mitgliedstaaten nur dann Zugang zu Geldern bekommen, wenn sie vorher die entsprechenden EU-Vorgaben erfüllt haben.
Diese Technik der politischen Machtausübung ist sicher subtiler. Belohnungen rufen nicht so viele Gegner auf den Plan wie Bestrafungen. Dennoch sind die geplanten Instrumente höchst problematisch, da sie die politische Verbindlichkeit der haushalts- und wirtschaftspolitischen EU-Vorgaben erhöhen, die den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfahrungsgemäß leider meist entgegenlaufen. Zudem werden diese Reformvorschläge weitgehend auf technokratischem Weg ohne parlamentarische Beteiligung formuliert.
Zuckerbrot oder Peitsche: Beides ist falsch, so lange damit neoliberale Reformen durchgedrückt werden. Wenn die EU wirklich die Akzeptanz der Bevölkerungen für mehr gemeinsames Handeln erhöhen will, muss sie die Reformen sozial, gerecht und fortschrittlich gestalten.